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Akustische Illusionen

Die Psychoakustik schlägt die Brücke zwischen den physischen, messbaren Schallereignissen und dem individuellen Hörempfinden des Stimulanten. In diesem Zusammenhang gibt es mehrere Phänomene, von denen hier der Residualeffekt näher betrachtet wird. DIeser lässt sich leider nur schwer veranschaulichen. Um trotzdem in den Hörgenuss psychoakustischer Effekte zu kommen, sind zwei Soundbeispiele zur Tonhöhenwahrnehmung und zur zeitlichen Auflösung dabei.

 

Der Residualeffekt

Residualton_Sinus

Entstehung des Residualtons

Das Gehör ist in der Lage, fehlende Grundtöne zu rekonstruieren. Es gibt Signale, in denen dieser nicht oder nur mit geringem Pegel vorhanden ist. Wenn das Obertonspektrum jedoch ausreichend ausgeprägt ist, wird der Grundton trotzdem wahrgenommen. Jeder nimmt diesen Residualeffekt vermutlich täglich wahr, ist sich darüber aber in der Regel gar nicht bewusst. Beispiele dafür sind das Küchenradio oder das Telefon. Bei beiden Geräten sind die Frequenzgänge stark bandbegrenzt. Beim Radio werden viele Töne, die für die wiederzugebene Musik eine große Rolle spielen, nicht dargestellt, da der Lautsprecher aufgrund seiner Bauart nicht dazu in der Lage ist. Dennoch hören wir diese und können sogar mitsingen. Die Wahrnehmung der Tonhöhe richtet sich also scheinbar nicht immer nach der tiefsten Frequenz. Es ist nicht genau klar, wie das zu Stande kommt,es gibt jedoch einige Theorien:

  • Das zeitliche Muster der Impulse der verschiedenen Obertöne regt die dafür zuständigen Neuronen zwar zufällig, aber meistens bei ganzen Vielfachen der Periodendauer des Signals an. Dadurch tritt die Periode häufig auf, auch wenn diese im Signal gar nicht enthalten ist. Der Grundton ergibt sich als Schwebungsfrequenz der Obertöne.
  • Im Innenohr befinden sich die Haarzellen für hohe Frequenzen am Anfang der Basilarmembran, wohingegen die Haarzellen für tiefe Frequenzen am Ende liegen. Die Zellen werden durch Resonanz angeregt. Wenn im höherfrequenten Bereich Nichtlinearitäten auftreten, werden Differenzfrequenzen zum vorhanden Spektrum hinzugefügt, die im niederfrequenten Bereich zu Resonanzen führen und dem Stimulanten den Grundton vorgaukeln.
  • Das mechanische Hebelsystem aus Hammer, Amboss und Steigbügel ist ebenfalls nichtlinear und erzeugt daher schon vor dem Innenohr Nichtlinearitäten, die zu den genannten Auswirkungen führen können

Das Fehlen von Grundtönen ergibt also nicht zwangsläufig einen Informationsverlust, schmälert jedoch deutlich den Höreindruck, z.B. in Bezug auf Klangfarbe oder Raumempfinden. Dieser Effekt spielt natürlich auch in der Hörgeräteakustik eine große Rolle.

 

Schwebung / Impulstreue

Andere psychoakustische Effekte sind z.B. die kritische Bandbreite, bei der zwei Töne solange als einer oder als Schwebung wahrgenommen werden bis diese Bandbreite durch steigenden Frequenzabstand überwunden ist oder auch die begrenzte Impulstreue des Gehörs, die ab einer bestimmten Frequenz einer Impulsfolge keine Pegelunterschiede mehr erkennen und die Folge als homogener Ton empfunden wird.

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Zur Veranschaulichung habe ich zwei Beispiele mit einer Digital Audio Workstation erstellt, die die Effekte der Schwebung und der Impulstreue verdeutlichen sollen:

Der Frequenzabstand zweier Sinusschwingungen wird kontinuierlich erhöht. Zunächst werden diese als ein Ton, dann als Schwebung und schließlich als zwei separate Töne empfunden.

Die Frequenz einer Impulsfolge wird kontinuierlich erhöht bis diese als Dauerton wahrgenommen wird.

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Mehr Informationen über das Hörlabor der HTW Berlin finden Sie unter:

https://hoerlabor.wordpress.com/

Sebastian Pieper ◊ 26.03.2013

Quellen:

Thomas Görne: Tontechnik. 2. Auflage, Carl Hanser Verlag, München, 2008

http://de.wikipedia.org/wiki/Residualton (26.03.2013)

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